Wer mein Blog überflogen hat oder schon mal auf das Label "§16e-Maßnahme" geklickt hat, dem ist bekannt, dass ich von September 2008 bis September 2010 in einer Ganztagesbetreuung gearbeitet habe. Zunächst ein Jahr lang in einem Eurojob, dann als Verlängerung für ein weiteres Jahr in einer §16e-Maßnahme. Da man bei der §16e-Maßnahme nicht wie beim Eurojob nur eine sog. Aufwandsentschädigung von 1,25 Euro pro Stunde erhält, sondern dies eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung mit ansehnlichem Arbeitsentgeld darstellt, wude der Verwaltungsakt aufgehoben, d. h. ich habe kein Alg2 mehr bezogen. Nach Beendigung der Maßnahme musste ich dann alles wieder ganz neu beantragen, also einen neuen Erstantrag mit allen damit verbundenen Unannehmlichkeiten stellen.
Mein Arbeitsentgeld wurde während der Maßnahme nach TVÖD VKA Gr. 3 Stufe 1 bemessen. Die nächste Stufe wäre im September 2010 fällig gewesen, wenn ich ein weiteres Mal verlängert worden wäre.
Im März 2011 erhielt ich unverhofft eine Verdienstabrechnung von der Beschäftigungsgesellschaft, die die Maßnahme durchführte. Ich war für die zwei Wochen, die ich im September 2010 noch dort arbeitete, in die nächste Stufe (TVÖD VKA Gr. 3 Stufe 2) eingruppiert worden und erhielt daraus resultierend eine Nachzahlung von 424,23 Euro brutto. Da ich meine Lohnsteuerkarte schon längst wieder zurück erhalten hatte und man sich offenbar auch nicht die Mühe machen wollte, diese noch einmal von mir anzufordern, wurde ich kurzer Hand in die ungünstigste Steuerklasse 6 gepackt und somit blieben dann 291,62 Euro netto übrig, die mir überwiesen wurden.
Da ich inzwischen schon lange wieder im Alg2-Bezug war, musste ich diesen Zuverdienst natürlich meiner ARGE melden. Also schickte ich der Leistungsabteilung die Verdienstabrechnung in Kopie zu. Zurück bekam ich ein Schreiben mit dem Titel "Anhörung nach § 24 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X)", aus welchem ich ein paar Passagen zitiere:
"... nach meinen Erkenntnissen haben Sie Leistungen ... für die Zeit vom 1. März 2011 bis 31. März 2011 in Höhe von 126,77 Euro zu Unrecht bezogen ... Sie haben während des genannten Zeitraumes Einkommen aus Arbeit erzielt."
"Bevor ich eine abschließende Entscheidung treffe, gebe ich Ihnen hiermit Gelegenheit, sich zu dem Sachverhalt zu äußern. ..."
Also mal ehrlich, da kommt man sich wie ein auf frischer Tat ertappter Verbrecher vor, wenn man solch einen Brief erhält, nachdem man die ARGE von sich aus über die Veränderung der Einkommensverhältnisse in Kenntnis gesetzt hat. Aber dafür wurde halt die Hartz-Kommission jahrelang von Steuergeldern bezahlt: um sich Formblätter auszudenken, die den Alg2-Empfänger per se zum Verbrecher erklären. Würde mich mal interessieren, ob diese Kommission von der deutschen Wirtschaft auch solch schöne Aufenthalte in ungarischen Bädern zur Belohnung erhalten hat, wie sie die Wirtschaft ihren besten Mitarbeitern angedeihen lässt.
Aber zurück zum Thema: von diesen 424,23 Euro, die ich erarbeitet hatte im letzten Jahr durfte ich 160,09 Euro behalten, weil sie mir erst in diesem Jahr zuerkannt wurden! Das bleibt übrig von den Anreizen. Ich empfinde das eher als eine Bestrafung dafür, dass man arbeiten gegangen ist.
Als Bestrafung und Ungleichbehandlung empfinde ich auch die zweite Sache, über die ich heute schreibe.
Jeder Alg2-Empfänger erhält den gleichen Regelsatz. Das ist alles schön durchgerechnet worden und reicht den Theoretikern zufolge auch dafür aus, dass man sich auch noch 50 Euro für besondere Fälle zurücklegen kann. Auch seine Praxisgebühren muss man von diesem Geld bezahlen. Offenbar wird davon ausgegangen, dass diese Penner, die zu faul zum Arbeiten sind und stattdessen lieber zum Arzt rennen, um sich krank schreiben zu lassen, dann auch zusehen sollen, wie sie die Gebühr dafür zusammen bekommen.
Nach der Entfernung eines Tumors im März 2010 bin ich zu 60% schwerbehindert. Alle drei Monate muss ich zur Nachsorgeuntersuchung und somit 10 Euro Praxisgebühr entrichten. Über die sog. Chronikerregelung kann ich mich nicht von der Entrichtung dieser Gebühr befreien lassen, da ich als "gesund" gelte. Während der Maßnahme wurde das dadurch ausgeglichen, dass mir weniger Steuern abgezogen wurden, als einem Nicht-Behinderten. Jetzt, unter Hartz IV, bekomme ich genauso viel Geld wie Nicht-Behinderte, obwohl ich im Jahr 40 Euro Praxisgebühr entrichten muss, da ich gezwungen bin, diese Nachsorgeuntersuchungen über mich ergehen zu lassen.
Das ist schon seltsam, aber irgendwie auch wieder charakteristisch für das hier herrschende System: als ich durch Arbeit genug Geld hatte, um diese Gebühren nebenbei zahlen zu können, bekam ich auch noch steuerliche Vorteile, jetzt, wo ich mir sowieso nichts leisten kann, muss ich von diesem Nichts auch noch 40 Euro im Jahr für Praxisgebühren ansparen.
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