Donnerstag, 30. Juni 2011

Dispokredit

Meine Beraterin der Sparkasse kenne ich aus in unregelmäßigen Abständen eintreffenden Briefen, in welchen man mit immer neuen Vorschlägen an mein Geld will - und ich habe nicht einmal viel, aber auch das will man.



Am 20.06.11 schrieb mir meine Kundenberaterin einen Brief, dessen Kerninhalt ich hier wiedergebe:


... auf Ihrem Girokonto steht Ihnen ein Dispositionskredit zur Verfügung, um planen zu können.

Dieser Dispositionskredit ist frei von festen Rückzahlungsvereinbarungen oder monatlichen Raten, seine Höhe richtet sich nach Ihren monatlich eingehenden Bezügen.

Gerade dadurch bietet er Ihnen eine sichere Kalkulationsgrundlage für Ihre Verfügungen. Über kurzfristige Kontoüberziehungen und deren Rückzahlung entscheiden Sie selbst.

In der letzten Zeit wurden Ihrem Konto wesentlich geringere bzw. keine Gehaltseingänge gutgeschrieben.

Aus diesem Grund würden wir gerne ein Gespräch mit Ihnen führen. ...


Ich antwortete am 27.06.11 mit folgender Email:

... etwas befremdet über Ihr Schreiben lege ich Ihnen kurz meine finanzielle Situation dar:

Seit Mitte 1994 lebe ich von Alg I bzw. Alg II. Dementsprechend ist mein Dispokredit bereits in den 90er Jahren bzw. Anfang des neuen Jahrtausends von ursprünglich ca. 3500,- DM auf 3000,- DM gesenkt worden. Seit der Euroumstellung beträgt mein Dispokredit 1600,- Euro.

Hieran hat sich auch bei der Einführung von Hartz IV im Jahre 2005 nichts geändert, obwohl meine "Gehalts"-eingänge die 800,- Euro-Grenze nie überschritten haben.

Von September 2009 bis September 2010 hatte ich das Glück, in einer etwas besser bezahlten Maßnahme der ARGE tätig sein zu dürfen und hatte während dieses einen Jahres einen monatlichen Geldeingang von ca. 1100,- Euro - mein Dispokredit wurde mir jedoch nicht erhöht, weil auf meinem Konto wesentlich höhere Gehaltseingänge gutgeschrieben wurden.

Seit neun Monaten lebe ich nun wieder von Alg II - wobei der Zahlungseingang aufgrund der Anpassungen wesentlich höher ist als z. B. 2008 - und habe einen monatlichen Geldeingang von ca. einem Drittel weniger als von 09/2009 bis 09/2010, jedoch mehr als in den Jahren vor 2008.

Dass Sie dies als "wesentlich geringeren Geldeingang" bezeichnen, finde ich etwas unglücklich formuliert - mir zu unterstellen, auf meinem Konto "wurden in der letzten Zeit keine Gehaltseingänge gutgeschrieben" ist schlicht und einfach eine Frechheit.

Wenn Sie sich einmal die Mühe machen, falls dies überhaupt möglich ist, meinen Kontoverlauf seit Eröffnung des Kontos Ende der 70er Jahre bei der Kreissparkasse
XXXXXXXXXXXXX zu verfolgen, werden Sie feststellen, dass ich in diesen gut 30 Jahren, in welchen ich Kunde der Sparkasse war, immer einen relativ hohen Kontostand hatte (Geld, welches mir nicht verzinst wird, mit dem Sie jedoch arbeiten), in keinem dieser ca. 360 Monate keinen Geldeingang hatte und vor allen Dingen auf den Dispokredit nie zugegriffen habe.

Wenn Ihr System nur niedrigere Geldeingänge bemerkt und darauf reagiert (und noch dazu falsche Tatsachen unterstellt), jedoch nicht auf höhere Zahlungseingänge, so finde ich das schade für Ihre Kunden.

Sollten Sie sich, aus welchen Gründen auch immer, dazu veranlasst fühlen, meinen Dispokredit zu senken bzw. zu streichen, dann tun Sie das - ich sehe in diesem Zusammenhang keinen Anlass für ein Gespräch. ...


Folgende Antwort bekam ich per Email:

... danke für Ihre E-Mail.

Unser System hat uns die Vorschläge von einigen Kunden unterbreitet, deren Dispositionskredit zu reduzieren.


Das Schreiben war ein Standardschreiben, dass nicht unbedingt auf die jeweilige Sitation des Kunden Rücksicht nimmt.

Bei der Durchsicht Ihres Kontos konnte ich, wie Sie selbst beschrieben haben, mit Freude feststellen, dass eine Disporeduzierung nicht nötig ist.

Sehen Sie das Schreiben von uns bitte als erledigt. ...


Da frage ich mich schlicht und einfach, warum es nicht möglich ist, die jeweilige Situation des Kunden zu berücksichtigen, indem man die Sachlage prüft, bevor man Papier vergeudet, sondern den Vorschlägen des Systems vertraut.

Begründet man doch die bevorstehende Umstellung des bisherigen iTAN-Verfahrens auf smsTAN bzw. chipTAN unter anderem auch damit, dass die lästige Papierliste wegfällt - warum werde ich dann ständig mit für mich sinnlosen Briefen belästigt?.

Mittwoch, 1. Juni 2011

Bestrafung für die Arbeit


Wer mein Blog überflogen hat oder schon mal auf das Label "§16e-Maßnahme" geklickt hat, dem ist bekannt, dass ich von September 2008 bis September 2010 in einer Ganztagesbetreuung gearbeitet habe. Zunächst ein Jahr lang in einem Eurojob, dann als Verlängerung für ein weiteres Jahr in einer §16e-Maßnahme. Da man bei der §16e-Maßnahme nicht wie beim Eurojob nur eine sog. Aufwandsentschädigung von 1,25 Euro pro Stunde erhält, sondern dies eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung mit ansehnlichem Arbeitsentgeld darstellt, wude der Verwaltungsakt aufgehoben, d. h. ich habe kein Alg2 mehr bezogen. Nach Beendigung der Maßnahme musste ich dann alles wieder ganz neu beantragen, also einen neuen Erstantrag mit allen damit verbundenen Unannehmlichkeiten stellen.

Mein Arbeitsentgeld wurde während der Maßnahme nach TVÖD VKA Gr. 3 Stufe 1 bemessen. Die nächste Stufe wäre im September 2010 fällig gewesen, wenn ich ein weiteres Mal verlängert worden wäre.

Im März 2011 erhielt ich unverhofft eine Verdienstabrechnung von der Beschäftigungsgesellschaft, die die Maßnahme durchführte. Ich war für die zwei Wochen, die ich im September 2010 noch dort arbeitete, in die nächste Stufe (TVÖD VKA Gr. 3 Stufe 2) eingruppiert worden und erhielt daraus resultierend eine Nachzahlung von 424,23 Euro brutto. Da ich meine Lohnsteuerkarte schon längst wieder zurück erhalten hatte und man sich offenbar auch nicht die Mühe machen wollte, diese noch einmal von mir anzufordern, wurde ich kurzer Hand in die ungünstigste Steuerklasse 6 gepackt und somit blieben dann 291,62 Euro netto übrig, die mir überwiesen wurden.

Da ich inzwischen schon lange wieder im Alg2-Bezug war, musste ich diesen Zuverdienst natürlich meiner ARGE melden. Also schickte ich der Leistungsabteilung die Verdienstabrechnung in Kopie zu. Zurück bekam ich ein Schreiben mit dem Titel "Anhörung nach § 24 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X)", aus welchem ich ein paar Passagen zitiere:

"... nach meinen Erkenntnissen haben Sie Leistungen ... für die Zeit vom 1. März 2011 bis 31. März 2011 in Höhe von 126,77 Euro zu Unrecht bezogen ... Sie haben während des genannten Zeitraumes Einkommen aus Arbeit erzielt."
"Bevor ich eine abschließende Entscheidung treffe, gebe ich Ihnen hiermit Gelegenheit, sich zu dem Sachverhalt zu äußern. ..."

Also mal ehrlich, da kommt man sich wie ein auf frischer Tat ertappter Verbrecher vor, wenn man solch einen Brief erhält, nachdem man die ARGE von sich aus über die Veränderung der Einkommensverhältnisse in Kenntnis gesetzt hat. Aber dafür wurde halt die Hartz-Kommission jahrelang von Steuergeldern bezahlt: um sich Formblätter auszudenken, die den Alg2-Empfänger per se zum Verbrecher erklären. Würde mich mal interessieren, ob diese Kommission von der deutschen Wirtschaft auch solch schöne Aufenthalte in ungarischen Bädern zur Belohnung erhalten hat, wie sie die Wirtschaft ihren besten Mitarbeitern angedeihen lässt.

Aber zurück zum Thema: von diesen 424,23 Euro, die ich erarbeitet hatte im letzten Jahr durfte ich 160,09 Euro behalten, weil sie mir erst in diesem Jahr zuerkannt wurden! Das bleibt übrig von den Anreizen. Ich empfinde das eher als eine Bestrafung dafür, dass man arbeiten gegangen ist.

Als Bestrafung und Ungleichbehandlung empfinde ich auch die zweite Sache, über die ich heute schreibe.

Jeder Alg2-Empfänger erhält den gleichen Regelsatz. Das ist alles schön durchgerechnet worden und reicht den Theoretikern zufolge auch dafür aus, dass man sich auch noch 50 Euro für besondere Fälle zurücklegen kann. Auch seine Praxisgebühren muss man von diesem Geld bezahlen. Offenbar wird davon ausgegangen, dass diese Penner, die zu faul zum Arbeiten sind und stattdessen lieber zum Arzt rennen, um sich krank schreiben zu lassen, dann auch zusehen sollen, wie sie die Gebühr dafür zusammen bekommen.

Nach der Entfernung eines Tumors im März 2010 bin ich zu 60% schwerbehindert. Alle drei Monate muss ich zur Nachsorgeuntersuchung und somit 10 Euro Praxisgebühr entrichten. Über die sog. Chronikerregelung kann ich mich nicht von der Entrichtung dieser Gebühr befreien lassen, da ich als "gesund" gelte. Während der Maßnahme wurde das dadurch ausgeglichen, dass mir weniger Steuern abgezogen wurden, als einem Nicht-Behinderten. Jetzt, unter Hartz IV, bekomme ich genauso viel Geld wie Nicht-Behinderte, obwohl ich im Jahr 40 Euro Praxisgebühr entrichten muss, da ich gezwungen bin, diese Nachsorgeuntersuchungen über mich ergehen zu lassen.

Das ist schon seltsam, aber irgendwie auch wieder charakteristisch für das hier herrschende System: als ich durch Arbeit genug Geld hatte, um diese Gebühren nebenbei zahlen zu können, bekam ich auch noch steuerliche Vorteile, jetzt, wo ich mir sowieso nichts leisten kann, muss ich von diesem Nichts auch noch 40 Euro im Jahr für Praxisgebühren ansparen.